Weil ich ab dem nächsten Schuljahr die Tageshandelsschule zum ersten Mal übernehme und in diesem Bereich eine hohe diagnostische Kompetenz der Lehrperson unabdingbar ist, habe ich mir vorgenommen, dass ich unbedingt etwas zum Thema „Prüfen und Bewerten“ in meinem Blog schreibe. Im Rahmen der Berufspädagogik haben wir viel mit dem Thema „Prüfungen erstellen und bewerten“ zu tun gehabt. Die Zusammenfassung in diesem Beitrag stammt teilweise aus dem Buch „Unterrichten an Berufsfachschulen“ von Claudio Caduff, Walter Mahler und Daniela Plüss (2009).
Als Hauptfunktionen des Prüfens und Bewertens der schulischen Leistungen kann man folgende Punkte aufzählen:
- Die Förderung des Lernens
- Die Verbesserung des Unterrichtes
- Die Beratung der Lernenden
- Die Maßnahmenplanung oder die Platzierung im Bildungssystem
Man unterscheidet zwischen den summativen und formativen Leistungsüberprüfungen. Dabei werden die Prüfungen als summativ (abschließend) bezeichnet, indem man bilanzierte Auskunft über den Lernstand der Schülerinnen und Schüler bekommt. Diese Prüfungen sind meistens gut vorbereitet, enthalten einen Lernzielkatalog, Zeitvorgabe und Hilfsmittel, transparente Punktevergabe, Beurteilung durch den Lehrer und Noten.
Bei den formativen Lernkotrollen bekommt die Lehrperson eine Auskunft über den Lernprozess und über den Lernstand, um das Selbstvertrauen bzw. Selbstbewusstsein der Lernenden zu erhöhen. Diese sind eher kurzfristig und bieten den Schülerinnen und Schülern eine Möglichkeit zur Selbstbeurteilung. Meistens werden keine Noten verteilt.
Als Ziele aller Prüfungsformen sollen folgende Stichpunkte genannt werden:
- Rückmeldung auf erbrachte Leistungen
- Verbesserung des individuellen Lernens
- Aufbau des selbstständigen und selbstverantwortlichen Lernens
- Aufbau der Selbstbeurteilung
- Verbesserung des Lernens
- Zuweisung
Damit eine Prüfung gut ist, soll sie einige Gütekriterien erfüllen. Im Weiteren wird jedes Gütekriterium stichwortartig beschrieben.
Validität: Gültigkeit, es muss sichergestellt werden, dass das, was geprüft werden soll auch geprüft wird, Unterscheidung von 5 Validitäten:
Inhaltsvalidität: Überprüfung von Kompetenzen, die im Unterricht erworben werden konnten, Aufgaben über Themengebiet streuen.
Prognosevalidität: Ergebnisse sollen zukünftigen Lernerfolg voraussagbar machen
Übereinstimmungsvalidität: Resultate verschiedener Prüfungsformen zum gleichen Thema entsprechen sich.
Testfairness: Aufgabenstellung darf keine Gruppen bevorzugen.
Reliabilität: Zuverlässigkeit, Frage: spiegelt das Ergebnis der Prüfung den wahren Leistungsstand des Lernenden?
Erhöhung der Zuverlässigkeit durch:
Intrapersonale Zuverlässigkeit: schwierige Aufgaben 2mal korrigieren
Interpersonale Zuverlässigkeit: Prüfungen von verschiedenen Prüfern korrigieren lassen
Konsistenz: Aufgaben mit derselben Leistungsdimension.
Objektivität:
Ergebnis vom Prüfer unabhängig,
Durchführungsobjektivität: Aufgabenstellung, Prüfungszeit, Hilfsmittel
Auswertungsobjektivität: Bsp. Aufteilung der Korrektur nach Aufgaben (Matura)
Interpretationsobjektivität: andere Lehrkraft- dieselbe Note Dieselbe Leistung- die gleiche Note
Ökonomie: Aufwand von Prüfungserstellung/ Korrektur soll sich im vernünftigen Rahmen befinden
Chancengleichheit: Prüfungen müssen den schulischen und außerschulischen Lernbedingungen entsprechen.
Bsp.: Anspruch an Sprachkenntnisse darf sich nicht an Schülerinnen und Schüler mit Auslandaufenthalten orientieren.
Wenn man Prüfungen korrigiert und bewertet, werden unterschiedliche Bezugsnormen in Anspruch genommen:
Sozialnorm: Klasse (Mittelwert der Klasse), (Nachteile: keine Aussage über tatsächliche Leistungsfähigkeit des Lernenden, Kein Vergleich über die Klassen, Lehrkräfte)
Individualnorm: individuelle Entwicklung wird beurteilt
Sachnorm: Orientiert sich an Lernzielen, Bewertungskriterien vor Korrektur festlegen, sich strikt daran halten.
In den letzten Jahren redet man mehr von den neuen Methoden bzw. Prüfungsnormen, die nötig sind, um alle Bereiche des Lehrplans abzudecken. Dazu gehören:
Portfolio:
Das Portfolio ist eine zielgerichtete Sammlung von Arbeiten (z. B. Übungen, Analysen, Fallstudien, Praxisreports, Fortschrittstabellen usw.), welche die individuellen Bemühungen um Fortschritte und die Leistungen der Lernenden auf einem oder mehreren Gebieten zeigen. Es dient dabei der mehr oder minder selbstbestimmten Darstellung des eigenen Könnens. (Caduff, Mahler, Plüss: 2009, S. 128)
Die Vorteile eines Portfolios sind folgende:
- Es verbindet Produkt und Prozess
- Es unterstützt das selbstorganisierte Lernen der Schülerinnen und Schüler
- Es ermöglicht die Selbstgestaltungsfreiheit
- Verschiedene Lerninformationen werden an einem zentralen Punkt / Ort gesammelt
- Man kann das E-Portfolio für verschiedene Personen frei schalten
- Es ermöglicht einen Austausch, z. B. bei einem E-Portfolio Reflexionen in Form einer asynchronen Diskussion
- Man steigert die Medienkompetenz
Fallstudien:
Darunter wird ein Lernprozess als Problemlösung und Entscheidungsprozess an einem möglichst realen Beispiel verstanden. Der Vorteil einer Fallstudie besteht darin, dass man zum Experten in dem entsprechenden Bereich wird. Handlungsorientierung, Teamfähigkeit, Medienkompetenz werden durch diese Prüfungsnorm stark gefördert. Tiefes Wissen soll erfragt werden. Mehr zu den Fallstudien habe ich in meinem Blogeintrag „Fallstudie: Was ist das Spezielle daran?“ geschrieben.
Als Zusammenfassung können folgende Punkte betont werden:
- Man soll zwischen Lernkontrollen und Prüfungen unterscheiden.
- Gute Prüfungen erfüllen bestimmte Gütekriterien.
- Prüfungen enthalten Aufgaben unterschiedlichen Anspruchsniveaus.
- Bewertung soll bewusst auf eine bestimmte oder auf unterschiedliche Bezugsnormen basieren.
- Neue Formen der Leistungsbewertung sollen eingeführt werden.
- Jede Lehrperson braucht eine hohe diagnostische Kompetenz.